Ein Tabu sind sie ja schon lange nicht mehr, die männlichen Unterhosen. Vorbei sind aber auch die Zeiten, in denen sie ein von Markt und Meinung unabhänges Dasein führen durften. Denn Designer haben sich ihrer bemächtigt und aus der einst schamhaft Verschwiegenen ein öffentliches Thema gemacht.
Geschickte Werbestrategen veränderten ihr Image, machten zur Lust-, was (zu) häufig Lachnummer war. Die Unterwäsche des Mannes, neu zugeschnitten und verändertem Körperbewusstsein angepasst, geriet zum Objekt der Begierde.
Ein trauriges Kapitel
Zu lange war sie nicht der Rede wert. Zu lange ihr Zuschnitt ein trauriges Kapitel phantasie- und lieblos gestalteter Bekleidung. Im Doppelripp mit Eingriff lag das Maß aller Dinge.
Selbst berühmte Vorbilder – der britische Premier Sir Winston Churchill soll sie weit, rosa und aus Seide geliebt haben – änderten nichts daran. Und die poetische Formulierung aus dem britischen Handbuch „Men´s Wear“ anno 1935 würde wohl heute noch mit „Die spinnen, die Engländer“ kommentiert.
„Unterwäsche sollte die Grazie von Apollo, die Romantik von lord Byron, die Zurückhaltung von Lord Chesterfield und die Leichtigkeit von Mahatma Gandhi aufweisen“, hieß es da.
Solch hohen Ansprüchen zu genügen, dürfte eine echte Herausforderung auch für Wäsche-Designer unserer Tage sein. Immerhin, die Hersteller bemühen sich um Abwechslung. Denn die Zahl der Männer, die der weiß-grau-bleuen Tristesse um die Lenden ade sagen, wächst. Besonders junge Männer setzen auf Lifestyle statt pure Bequemlichkeit, kaufen Hautnahes mit Mut zu Farbe und Design.
Und vielleicht ist der Tag nicht mehr so weit, an dem frau eine Vorführung der besonderen Art erlebt: Er kommt nach Hause und verschwindet – eine Einkaufstüte fröhlich schwenkend – im Bad. Wenig später betritt er den Wohnraum, lässt wie ein Bodybuilder die Muskeln spielen, dreht und wendet sich und heischt erwartungsvoll nach Beifall. Ein Body im bunten Batikdruck ziert willig formend den Athletenkörper. Wow!
Unvorstellbar? Die Szene vielleicht, nicht aber das Outfit. Denn in München sorgen Lothar Schuster und Michael Rohrmann seit vier Jahren für eine frische Brise unterm Anzug. Liebestöter simplen Zuschnitts gibt´s hier nicht. Selbstbewußt trägt der Hosen-Kavalier Tanga und String, Slips, Shorts und Bodys. Und liebt´s drunter auch bunter, lässt Gobelindrucke oder indisches Dessin um sich sein.
2500 verschiedene Formen hat Schuster, der auch die Herrenwäsche für HOM designed, auf Männer zugeschnitten. Zwischen 30 und 90 sind die Kunden des Wäsche-Avantgardisten und Versandhändlers, vom seriösen Nadelstreifen-Träger bis zum flippigen Paradiesvogel.
Etablierte Hersteller gingen mittlerweile ebenfalls mit kühnem Schnitt Männern an die Wäsche. Europas Marktführer Schiesser konstatiert, dass „junge Männer körperbewusster und mutiger geworden sind“. Die Tendenz gehe zu kleineren Slip-formen, auch Strings seien gefragt, und statt geräumiger Boxershorts formten nun enge New-Shorts das Beste am Mann.
Eine nachgerade revolutionäre Neuerung bietet Jockey. „Der Schlitz ist oben, quasi wie beim Känuruh-Beutel“, erklärt PR-Manager Rolf Hunsinger den patentierten Eingriff. Und versichert: nichts zwicke oder drücke an dem elastischen Teil. Von Jockey ist übrigens die bisher erfolgreichste Unterhose, die Doppelfeinripp mit Y-Eingriff. Tausendfach – auch von Star-Designern – kopiert, erlebt das betagte Stück heute eine Renaissance.
Bei (zu) vielen Männern ist Unterwäsche freilich noch immer nur bedingt gesellschaftsfähig. Da können die Hersteller noch so heftig die Werbetrommel rühren, die Masse Mann bleibt standhaft bei der Großraumhülle oder verpackt die Lenden im bequemen Doppelripp. „Walter“, der Slip der 70er, und „Karl-Heinz“, der klassische, weisse Schiesser-Doppelripp-Dino, sind heute die Hits beim deutschen Manne jenseits der Lebensmitte.
Über tausend hatten für eine Befragung der Textil-Wirtschaft die Hosen runtergelassen. Raus kam dabei auch, dass Bodys keinen Platz im Alltag der Männer haben und „Sven“, den heißen Tanga, zwar über 40 Prozent der jüngeren Frauen mögen, aber nur 20 Prozent der unter 30jährigen Männer.
Apropos Frauen: Mutter, Ehefrau und Freundin besorgen zu ca. 80 Prozent das gute Stück. Der Mut zu Gewagtem scheint eher selten. Im Zweifel kaufen Frauen aufregende Dessous wohl lieber für sich selbst. Männlichen Selbstversorgern (Singles von 18 bis 35) kommt so was selten in die Tüte. In der ruht meist der biedere Slip.
Wie wenig Männer Mode untendrunter kümmert, offenbart die Schiesser-Statistk (1994) zum durchschnittlichen Pro-Kopf-Wäschekauf. Ganze 30,70 DM gab der West-Mann für 3,3 Teile aus, Frauen: 25,30 DM für 4,2 Teile.