Gesellschaft - Mode
Tangas, Slips und Strings statt Liebestöter: Der deutsche Mann entdeckt Designerdessous.
Nahe dem Münchner Viktualienmarkt, wo resolute Marktfrauen, im lokalen Idiom auch „Radischwanzldompteusen“ genannt, die Gaben der natur feilbieten, liegen in einem melbafarbenen Schaufenster die aufregendsten Männerunterhosen Deutschlands: rosengemusterte Stringbodys, transparent und nabelfrei; Slips mit einem Hauch von Garnichts aus Netzgewebe; seidene Tangas mit auswattierten Schamkapseln, die den Eindruck erwecken, ihr Träger verfüge über ein Mannsteil von der Größe eines mittelschweren Rettichs (bayerisch: „Radi“)
Schöpfer der Intimtextilien ist Lothar Schuster, 33, Maßschneider von Leibwäsche für den Mann. Er ist einer der erfolgreichsten Couturiers von „Menswear“, wie in der Branchensprache die Herrenunterbekleidung heißt, seit sie vom Utensil zum Modeartikel avanciert ist: Der deutsche Mann, der bis vor wenigen Jahren durchschnittlich zwei Großraum-Unterhosen für ausreichend hielt, rüstet nach.
Vorbei die Zeiten halblanger Liebestöter und naturgrauer Schlüpfer, die im Gummibund gern von einer Sicherheitsnadel gehalten wurden und im Séparée sehr verliebte Partnerinnen voraussetzten, damit der Akt nicht zur Lachnummer abrutschte. Nach dem Minislip der siebziger Jahre mit Unterstützung im Gliedbereich und den Boxershorts genannten, je nach Saison mit Osterhasen oder Weihnachtsmännern bedruckten Spielhöschen (Werbeslogan: „Let him swing“), entdecken die Deutschen die Designer-Unterwäsche.
Nie zuvor kaufte der Mann, wie Erhebungen der deutschen Textilwirtschaft ergaben, soviel Hautnahes wie in den vergangenen zwei Jahren. Und nie war er bei der Wahl von Farbe und Design so mutig wie heute. „Die Herrenwäsche“. Konstatieren die Marketing-Experten beim Radolfzeller Hersteller Schiesser. „hat sich modisch nunmehr großflächig emanzipiert.“
Dabei sind die Trends in der sogenannten UBK, der Unterbekleidung im Großsortiment der Kaufhäuser, gegenläufig. In sind einerseits pofreie „RioSlips“ und „French-Cut-Slips“ mit hohem Beinausschnitt; dazu an Ringertrikotagen gemahnende, seitlich oder vorn dekolletierte „Wäschebodys“, die im Entsorgungsfall mittels eines „unten durchgehenden, feinen Reißverschlusses“ geöffnet werden.
Andererseits gehen auch aufgepeppte Klassiker der Weißwäsche gut, etwa die knielange Doppelripp-Unterhose; oder dem Jockey“-Modell 1007 aus den dreißiger Jahren nachempfundene Kreationen mit dem Y-förmigen „Eingriff, wie der Hosenschlitz in der Fachsprache heißt.
„Purer Zufall“, bemerkte dazu das FAZ.-Magazin, „dass das Wort Kultobjekt noch nicht fiel.“ „Die Männer“, analysiert Designer Lothar Schuster den Aufschwung der Unterhosen, „wollen eben keine Dödel mehr sein und im langweiligen Untergewand zu einer schwarzbespitzten Frau ins Bett steigen.“
Der Slip-Designer, in der Branche als „Der Lagerfeld für darunter“ gerühmt, bildet sozusagen die Speerspitze des deutschen Unterhosenwesens. Seine unter dem Markennamen „TENDENZE“ vertriebenen Modelle – entweder Unikate oder in begrenzten Stückzahlen hergestellt – zählen nach dem Urteil von Fachleuten zu den extravagantesten und innovativsten Unterwäschekollektionen: Slips in allen Schlüsselreizfarben (ab 79 Markt). Bodys im Norweger- oder Trachtenmuster (ab 300 Markt). String-Tangas in Netzoptik und Shorts aus glitzerndem Baumwollstretch mit passenden Bustiers (ab 220 Mark).
Zum Seller entwickelte sich das Grundmodell „Karl Heinz“, ein Beinbody mit Kapuze und aufknöpfbarem Eingriff, das der Wäsche-Couturier je nach den Wünschen des Kunden variiert – mal aus Samt oder Seide gefertigt, mal mit aufgenähten Pailletten. Spitze oder anderem Tüttelüt; oder, auch schon dagewesen, mit Gold oder Diamanten bestückt. „Das ist Qualität, das ist Couture“, schwärmte da eine Fachfrau für Herrenunterwäsche.
Nicht minder beliebt ist die Modelinie „John Wayne“, eine in alle Richtugen drehbare Leinentrikotage, die gern mit Botticelli-Drucken und einer aufknöpfbaren Hinterklappe geordert wird. 600 solcher Sonderanfertigungen verkauft der U-Couturier pro Monat. Vom Herbst an bietet er seine Kreationen auch als Prêt-á-porter-Kollektion an.
In seinem Atelier, wo jedes Modell auf nackter Haut anprobiert werden darf, nimmt Schuster bei den Kunden Maß: Er misst den Umfang von Hüfte und Taille („Manchmal reicht das Maßband gerade noch“), auch die Größe des Genitals wird ermittelt, damit es hinterher nicht zwickt. „Für Frauen gibt es 23 BH-Größen“, propagiert der Designer die modische Emanzipation. „und Männer werden in sieben Unterhosengrößen hineingezwängt.“
Das leuchtete auch jener bodenständigen Gemüsetandlerin vom Viktualienmarkt ein, die kürzlich ihren überaus korpulenten Mann mit in Schusters Boutique brachte“ „Mach´S dem a anstänige Unterhosen“, befahl die Frau aus dem Volke. „Nix zu Erotisches, aber a bisserl ausgfallen darf´s scho sein.“